Alles Kulisse

„Menschenskinder, in Potsdam waren wir jetzt wieder nicht.“ Unzählige Male haben wir diesen Satz von uns gegeben. Eigentlich immer wenn wir von einem Hauptstadtbesuch zurück in den Süden fuhren. Jedes Mal gab es in Berlin so viel Neues, Altes, Interessantes, Liebenswertes und Verrücktes anzuschauen und zu entdecken, dass die Zeit für die brandenburgische Landeshauptstadt wieder nicht gereicht hatte. Dieses Jahr gingen wir die Sache professioneller an und buchten gleich einen Aufenthalt in Potsdam, direkt am Templiner See. Wir wohnten schon schlechter.

[simage=24,144,y,right]Unser erster Eindruck von dieser Stadt: Alles Kulisse. Geschichte hautnah, Schlösser en masse, eine traumhafte Lage und irgendwie surreal. Auf der Suche nach einem Café passierten wir zahllose Villen im toskanischen Stil, erblickten eine russische Blockhaussiedlung und standen plötzlich in Holland. Frau Schultze, die bei einer Menschansammlung von mehr als 10 Personen schon genervt über einen Massenauflauf nörgelt, prallte beim Anblick der sehr gut gefüllten Fußgängerzone sichtlich zurück. Eines der vielen Touristen-Cafés hier kam deshalb gar nicht in Frage, also sofortiges Abbiegen in ein ruhigeres Seitensträßchen. Die Idee war brillant, führte sie uns doch zu einer kleinen, feinen Kaffeerösterei mit unglaublich leckeren Tartes.

Gestärkt machten wir uns auf den Weg zum Telegrafenberg. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dort ein Wissenschaftspark mit astronomischen, meteorologischen und geowissenschaftlichen Observatorien gebaut, integriert in einen schönen englischen Landschaftspark. Hier nun machten wir uns auf die Suche nach unserer Nummer 1000. Dafür musste natürlich ein besonderer Cache her. Einer der alles bietet, was Geocaching für uns ausmacht: Eine schöne Location, ein spannendes Thema, einen „Platz, den wir ohne Geocaching nie besucht hätten“ und endlich mal wieder eine große Dose mit einem ordentlichen Logbuch. All das fanden wir in der Nähe des architektonisch außergewöhnlichen Einsteinturms. [simage=23,144,y,right] Dieses Bauwerk entstand zwischen 1919 und 1924 in Zusammenarbeit des Physikers Albert Einstein mit dem Astronomen Erwin Finlay Freundlich und dem Architekten Erich Mendelsohn. Ursprünglich sollte hier die von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagte Rotverschiebung von Spektrallinien im Schwerefeld der Sonne nachgewiesen werden, was sich aber wegen der Turbulenzen auf der Sonne leider als undurchführbar erwies. Trotzdem befindet sich im Einsteinturm heute immer noch ein Spektrometer zur Sonnenbeobachtung. Das Gebäude steht mittlerweile unter Denkmalschutz und wird seit seiner Fertigstellung aufgrund der schlechten Bausubstanz in regelmäßigen Abständen generalüberholt.

Klar, dass bei einem Potsdambesuch auch das geschichtsträchtige Schloss Cäcilienhof auf dem Programm steht. In dessen Nähe liegt ein Cache, dem wir bei dieser Gelegenheit auch gleich noch einen Besuch abstatten wollten. Dessen Location ist, auch wenn sie völlig unspektakulär wirkt, komplett abgefahren und mal wieder Kulisse pur. Direkt am Jungfernsee liegt die Muschelgrotte. Sie wurde zwischen 1791 und 1794 an einem eigens dafür angelegten Hügel gebaut und sollte wie von der Natur geschaffen wirken. Dafür ließ der Architekt den Ziegelbau mit Natursteinen, Schlacke und verschmolzenen Ziegelsteinen verkleiden. Im Inneren befinden sich drei ehemals mit Glas, Muscheln und Schnecken prunkvoll ausgestattete Räume, darunter ein Saal mit Deckenmalereien. Das Bauwerk diente als versteckter Aufenthaltsort für Teegesellschaften und wird seit Jahren aufwändig restauriert. Nach so viel Bühnenbild stand uns der Sinn nach bodenständiger Küche und wir fuhren zur Braumanufaktur im Forsthaus Templin. Hier gibt es leckere Hausmannkost und ein feines selbstgebrautes Bier.

Am darauffolgenden Tag ging es in Richtung Babelsberg. Da gab es dann endlich mal echte Kulissen zu begutachten. Direkt hinter den vorwiegend aus Holz nachgebauten Berliner Wohnhausfassaden, die schon dem Film Sonnenallee die richtige Atmosphäre verliehen, sammelten wir eine Dose ein. Richtig gut gefallen hat uns ein Cache nicht weit davon entfernt am Griebnitzsee, der sich mit der deutsch-deutschen Geschichte beschäftigt. Die Grenze zum ehemaligen West-Berlin lag ja in der Mitte des Sees, nur ein kleiner Teil ganz im Westen gehörte vollständig zur DDR. Die Sperranlagen zogen sich am südlichen Seeufer entlang, das von der DDR-Führung für den Grenzausbau kurzerhand enteignet worden war. Für DDR-Bürger war der See nicht zugänglich; erst nach 1990 ist der ehemalige „Kolonnenweg“ zum beliebten Spazierweg geworden und beherbergt in der Nähe eines übrig gebliebenen Reliktes der deutschen Geschichte eine Dose.

Der Rückweg zum Hotel gestaltete sich zeitaufwändiger als gedacht. Einer plötzlichen Vollbremsung folgte das geräuschvolle Einlegen des Rückwärtsganges. Zu unserer Rechten sahen wir den Factory Outlet von Katjes. Herr Schulze wähnte sich im Paradies. Als ausgesprochener Lakritzliebhaber hat er in Süddeutschland einen schweren Stand. Der Schwabe an sich hat es wohl nicht so mit dieser Leckerei. Daher waren die Lasten beim Verlassen des Gebäudes auch ungleich verteilt: Frau Schultze trug leicht an ihrem 3er Päckchen Ahoj-Brause, während der Lakritzfan mit zahlreichen Tüten zu kämpfen hatte.

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2 Kommentare

  1. Na toll! Quasi um die Ecke gewesen, in Schwerin, und wir sind nicht am Katjes Outlet vorbei gefahren! So eine Alpengrütze…

    Naja, früher oder später kommen wir auch in die Richtung. Dann nehme ich einen Anhänger mit 😉

  2. @Lilly
    Anhänger ist ratsam, es war verblüffend, wie schnell der Inhalt der Tüten zu Hause schwand. 😀

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